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lough gill brauerei
Das Etwas andere irische
“craft bier”
Es war an unserem letzten Tag auf dem Wild Atlantic Way, der Route, der wir die letzten etwa 2500km gefolgt waren, als wir abends den Sonnenuntergang von den Abbruchklippen am Strand von Strandhill bewunderten und an einem kühlen Bier nippten…
…und es war am Tag darauf, als wir uns mental bereits wieder darauf vorbereiteten in unseren Alltag zurückzukehren, sobald wir den MINI in Dublin abgegeben hätten, als uns der Kellner in einem Pub folgendes sagte: “Wenn Ihr die Biere von Lough Gill wirklich so mögt, solltet Ihr denen mal einen Besuch abstatten! Die Brauerei ist nur 5 Minuten von hier entfernt!”
So fanden wir uns 5 Minuten später an diesem Dienstag in einem Industriegebiet wieder, fuhren Runde um Runde, da hier einfach nichts auch nur irgendwie geschäftig aussah, geschweige denn nach einer verrückten Brauerei! Doch Google Maps war sicher, wir wären exakt am richtigen Ort und so ließen wir das Auto stehen um an einer uneinladenden weißen Tür zu klopfen. An dieser fanden wir stattdessen einen Zettel mit einer Telefonnummer, wählten diese und noch einmal 5 Minuten später verwandelte sich die uneinladende Tür in das strahlende Grinsen von Jordan Donnelly, seines Zeichens Chef-Brauer der Lough Gill Brauerei.
Wären wir inzwischen nicht eh Riesenfans der Irischen Gastfreundschaft gewesen, hätte uns dieser Tag dazu gemacht. Obwohl wir völlig unangemeldet vor der Tür standen, nahmen sich Jordan und James, der Gründer, über eine Stunde Zeit für uns, zeigten uns die Brauerei und erzählten uns alles über ihre Geschichte und die Biere, die sie brauen.
Und als wäre das nicht mehr als genug, bestanden sie zum Abschied darauf, uns ein Dutzend ihrer Biere und zwei ihrer grell grünen T-Shirts mitzugeben!
Vor über 100 Jahren hatte es in Sligo schon einmal eine Brauerei namens “Lough Gill” gegeben. Doch als die großen Kriege Europa erschütterten, verschwanden alle Brauereien in der Gegend. Mit diesem Wissen im Kopf und dem See “Lough Gill” als Wasserquelle und somit Hauptzutat ihrer Biere, gründete James Ward zusammen mit seiner Frau Valerie im Jahr 2016 die neue Brauerei “Lough Gill”, in der Hoffnung die alte Brautradition in Sligo wieder aufleben zu lassen. Inhaber und Betreiber der alten Brauerei war die Familie Anderson und so war das erste Bier, dass James hier braute das “Anderson’s Ale”. Diesen Namen trug um 1800 das lokal berühmteste Bier und bis heute ist dieses erste eines der Flagschiff-Biere von Lough Gill geblieben.
Man könnte sagen das Brauen liegt James einfach im Blut: Mit 12 Jahren zapfte er sein erstes Pint und arbeitete später in verschiedenen Pubs in Irland und England. Später verbrachte er einige Jahre bei einem Bier Großhändler in den USA, bevor er doch nach Sligo zurückkehrte. Dort arbeitete er zwei kurze Jahre als Hotel Manager und dann weitere zehn Jahre als Pub Manager. Mit seinem über die Zeit angesammelten Wissen, wagte er sich schließlich 2013 ins Brauerei Business und gründete die “White Hag” Brauerei. Etwas später verkaufte er jedoch seine Anteile an die Investoren, die das Projekt bis dahin getragen hatten.
Dank diesem Geld und ein wenig Erspartem, sowie mithilfe eines kleinen Kredits, dafür aber komplett Investoren-frei, gründete er dann im November 2016 sein eigenes kleines Familienunternehmen zusammen mit seiner Frau Valerie: Nach über 100 Jahren erblickte die neue Lough Gill Brauerei in Sligo das Licht der Welt.
Die Brauphilosophie hinter den Lough Gill Bieren ist so einfach wie genial: Sie wollen schlichtweg das beste Bier brauen und dabei wann immer möglich lokale und einheimische Zutaten nutzen. Zu diesem Haupt-Prinzip addiere man nun noch das Versprechen, immer abseits der bekannten Pfade zu wandeln und dabei komplexe Spezialbiere höchster Qualität zu brauen. Bei Lough Gill arbeiten die Brauer tatsächlich mit einer Mission! Und während sie ihrer Mission folgen, kreieren sie einzigartige, wundervolle und teils abenteuerliche Biere, alle nach traditioneller Brauart, alle Schritte per Hand ausgeführt und viele ihrer Kreationen ausschließlich in Kleineditionen.
“Der Plan war schon immer, großartige, mutige und extreme Biere zu machen – solche, die andere Leute einfach nicht brauen würden – aus der Angst ,dafür keinen Markt zu finden.” – James Ward
Von ihren Klassikern haben es uns Biere wie das “MacNutty”, ein Macadamia Nuss Brown Ale, das “Dark Majik”, ein Hafer Kaffee Sahne Stout, oder auch das “No Tracksuits”, ein Schokolade Salzkaramell Stout, besonders angetan. Doch ehrlich gesagt war jedes Bier, das die Worte “Oatmeal”, “Porter” oder “Stout” im Namen trug, irrsinnig gut.
Als wäre das nicht genug, gibt es dann auch noch ihre Sondereditionen – und hier finden sich nun wirklich alle Biere, von denen man glaubte sie seien unmöglich!
Wir hatten an diesem Tag das große Vergnügen sogar bis dahin noch unveröffentlichte Biere probieren zu dürfen: Zum Beispiel das “Sloe Gin Gose”, eine Kollaboration mit der Londoner Brauerei “Five Points” mit Sloe Beeren, Wacholderbeeren, Zitronenschale und Gin. Oder das “Bacon + Hash Brown Porter”, eine Kollaboration mit der New Yorker Brauerei “Gun Hill”, welches inzwischen unter dem Namen “Mom’s Big Breakfast” veröffentlicht wurde und neben Haferflocken auch in Connemara Peated Single Malt Whiskey gebratenen Speck und Kartoffelchips enthält… klingt doch auf jeden Fall nach einem Frühstück, das jede Mutter auftischen würde, oder?
Und nur um keine Details auszulassen: Wir probierten auch das “Oyster Gose” mit… exakt, Austern! Nun, wir müssen ja nicht alles lieben, was die Jungs bei Lough Gill so verzapfen, aber wir sind in jedem Fall begeistert davon, dass es anscheinend wirklich nichts gibt, das sie nicht zumindest ausprobieren würden.
Und all ihre Leidenschaft beginnt sich langsam auszuzahlen. Nachdem sie bereits Bronze und Silber für “MacNutty” und “Dark Majik” beim Dubliner “Craft Beer Cup” 2017 + 2018 gewonnen hatten, wurde 2019 nun tatsächlich ihr “Barrel Aged Dark Sunset Imperial Oatmeal Stout” vergoldet und brachte ihnen die Auszeichnung “Best in Ireland” auf der “Alltech Craft Brews + Food Fair” in Dublin ein.
Zusammengefasst: Wenn Du denkst, Du kennst sie wirklich alle, da dieser Tage ja irgendwie jedes Bier ein Craft Bier zu sein scheint, besuche Sligo und probiere ein paar der Lough Gill Großartigkeiten. Denn wer weiß, was sie jetzt gerade in ihren Köpfen zusammenbrauen?
Fotos
Constantin Gerlach, Laura Droße
Text
Laura Droße