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coffee collective
die dänische antwort auf specialty coffee
Zum ersten Mal trafen wir Klaus Thomsen, “Head of Marketing & Coffee Shop Quality” bei Coffee Collective in Kopenhagen, auf der diesjährigen “World of Coffee” in Berlin.
Und wie der Zufall es wollte, vergingen nur knapp vier Wochen, bis zu unserem Wiedersehen, dieses Mal in Frederiksberg, wo neben einem Café auch die Rösterei und das Büro von Coffee Collective beheimatet sind.
Klaus, Casper Rasmussen – Röstmanager bei CC – und Peter Dupont – verantwortlich für “Green Coffee Sourcing” und CEO – lernten sich bei der Arbeit bei „Estate Coffee“ in Copenhagen kennen. Nach einem Weihnachtsessen im Jahr 2007 beschlossen die drei gemeinsam eine Firma zu gründen und Coffee Collective war geboren.
Während wir mit Klaus über die Anfänge und Grundsätze von Coffee Collective sprechen, wie auch über die aktuelle Situation von Specialty Coffee im Allgemeinen, aber auch im Angesicht des Klimanotstands, testen wir uns durch ihre Filter-Kaffees und probieren auch den “Esmeralda Geisha Nitro Coffee” aus einer Kollaboration mit dem Berliner Brand “MOTEL”. Esmeralda ist Farm, die einst die Geisha-Varietät entdeckte und für Klaus noch immer die Messlatte definiert.
Von Anfang an einigten sich die Gründer auf Prinzipien, auf denen sie ihr Business aufbauen wollten. Eines dieser Prinzipien mag zwar den Start erschwert haben, hat sich aber inzwischen bezahlt gemacht:
Coffee Collective war von Tag 1 ein echter Verfechter des “direct trade”, was bedeutet eine direkte Beziehung zu den Kaffee-Farmern aufzubauen, bei ihnen direkt einzukaufen und sie dabei auch gut zu bezahlen. All das bei völliger Transparenz. Um zu verhindern, dass man ihnen später vorschreibt den Profit vor die faire Bezahlung zu setzen, schlossen sie außerdem von Anfang an Investorengeld aus.
Das Problem dabei: 2007 glaubten die Banken noch nicht an sogenannten “Specialty Coffee” und zwangen Klaus und seine Mitgründer im Grunde in den Großhandel.
Sie fingen also an, mitten in einem Industriegebiet Kaffee zu rösten, ohne Laufkundschaft, mit einem Rohr, das aus einem Fenster ragte, als Schornstein. Was wenig vielversprechend klingt, lief dann auch tatsächlich nicht ganz so gut wie die Banken sich das gedacht hatten, und nach kaum 6 Monaten standen sie vor dem Bankrott.
Ohne die Chance auf einen weiteren Kredit beschlossen sie alles auf eine Karte zu setzen und öffneten im Februar 2008 ihr erstes Café in der Jægersborggade. Was 10 Jahre später Teil des angesagten Bezirks “Nørrebro” ist, war damals im Grunde eine absolute no go-area, bekannt für Drogendealer und zwielichtige Gestalten.
„Rückblickend war das der Wendepunkt. Sobald wir die Türen geöffnet hatten, konnten wir die Menschen einladen und sie konnten austesten was wir anbieten und erfahren inwiefern das anders war als das, was sie kannten.”
Klaus ist sich sicher, dass es keine 15 verschiedene tolle Kaffees braucht, um die Menschen zu überzeugen und den Unterschied aufzuzeigen, sondern dass es vielmehr darum geht ein bleibendes Erlebnis zu schaffen. Seit über 10 Jahren kämpfen sie nun im Namen guten (Filter-)Kaffees und inzwischen hat Klaus das Gefühl „dass wir es geschafft haben, dass wir die Leute überzeugen können und dass es sich rumspricht, dass es tatsächlich mehr auf das ursprüngliche Produkt ankommt, welchen grünen Kaffee bekommst Du vom Farmer, wie wurde er angebaut, wie geröstet… dazu ein paar einfache Grundlagen in Bezug auf das eigentliche Aufbrühen und dann ist es wirklich wirklich gut!”
In Kolumbien arbeitet Coffee Collective mit einer Gruppe von Kleinbetrieben, die sich unter dem Namen „Desarollo“ zusammengeschlossen haben. Insgesamt sind etwa 150 Farmer Mitglied in der Gesellschaft und während jeder seinen Kaffee auch alleine verkauft, schließen sie sich auch zu größeren Posten zusammen, um auf dem Markt zu bestehen. Coffee Collective hat 36 Farmer ausgewählt, deren Kaffees ähnliche Geschmacksprofile und ähnliche Punktzahlen erreichen und diese zu einem Kaffee vermischt – ein Vorgehen, dass es für beide Seiten lohnenswerter macht. Denn viele der kleinen Farmer besitzen nicht genug Land um ein profitables Geschäft aufzubauen und seit der globale Marktpreis für Kaffee in den Keller gerutscht ist und oftmals sogar unter den Produktionskosten liegt, geht es vielfach ganz ungeschönt um das bare Überleben der Farmer.
An dieser Stelle setzt der “Qualitätsbonus” an, die neueste Information, die man auf den umgestalteten Kaffeepackungen von CC findet: Dieser zeigt an wie hoch die Bezahlung von CC an die Farmer für jeden einzelnen Kaffee über dem aktuellen Marktpreis liegt. Von 151% beim kolumbianischen bis zu 419% beim kenianischen Kieni!
Coffee Collective mag vielleicht nicht das größte Angebot an verschiedenen Kaffees anbieten, doch sind sie sehr wählerisch bei der Auswahl ihrer Kaffees, die immer auf ihren Grundsätzen basiert und darauf, wie ein Kaffee bezogen werden kann.
„Es geht für uns wirklich nicht darum in jedem Land einen Pin auf unserer Weltkarte zu haben. Ganz zu Beginn und weil wir von Anfang an unseren Kaffee direkt einkaufen wollten, war die Auswahl schlicht sehr begrenzt! Wir fingen also mit nur zwei verschiedenen Kaffees an, Finca Vista Hermosa iaus Guatemala, und Daterra aus Brasilien. Bei beiden Farmen kaufen wir bis heute ein. Etwas später kam ein dritter Kaffee aus von Kieni aus Kenia dazu, und von dieser Kooperative kaufen wir inzwischen seit 9 Jahren! Wir nehmen nur dann ein neues Herkunftsland ins Sortiment, wenn die Mengen ausreichen um nicht nur für uns, sondern auch für die Farmer ein lohnendes Geschäft aufzubauen..“
Die meisten kleinen Farmer ernten nur einmal im Jahr, so dass CC den kompletten Einkauf mit einem Mal erhält. Da Klaus uns erklärt, dass seiner Meinung nach eine stabile Umgebungstemperatur ausschlaggebend ist, ist es verständlich, dass ihr Lager in einem Keller liegt, wo es von Natur aus schön kühl ist. Von dort wird der Kaffee immer nur palettenweise zur Rösterei gebracht, wo er bis zum Rösten in einem gekühlten Raum verbleibt. Zusätzlich siend die Bohnen entweder in “Grain Pro” Beutel verpackt oder sogar vakuumiert. Es ist schlicht einer der wirklich wichtigen Schritte um die Qualität des weltbesten Kaffees von der Bohne bis zur Tasse zu bewahren. Der nächste wichtige Schritt – wenn nicht der wichtigste – ist natürlich das Rösten selbst! Für uns eines der schönsten Details im Café in Frederiksberg: Der Röster, der nur durch eine Glasscheibe vom Café getrennt ist, so dass man bei der Röstung zusehen kann, während man seinen Kaffee genießt.
„Unser erster Shop war ein winziger Raum, den Röster hatten wir in die Mitte gestellt und die Kunden saßen bildlich rund um den Röster und tranken Kaffee. Das hatte natürlich seinen ganz eigenen Charme, war aber am Ende einfach auch super laut, verqualmt und irre heiß… als wir also letztlich mit dem Röster hierher umzogen, wollten wir diese Transparenz beibehalten, den Kunden das Gefühl geben Teil davon zu sein und zu sehen was tatsächlich in einer Rösterei geschieht. Denn am Ende muss man auch sagen: Die meisten Menschen haben noch nie grünen Kaffee gesehen“
Nachdem sie mit 12kg Röstern von Probat gearbeitet hatten, musste nach der Eröffnung ihres Shops auf dem “Food Market Torvehallerne” die Kapazität erhöht werden. Die Entscheidung fiel auf einen “Loring”- Röster, da er einen wesentlich präziseren Prozess ermöglicht und unter anderem erlaubt, personalisierte Röstprofile zu programmieren. Zusätzlich ist er wesentlich energieeffizienter als andere Röster (da er die Luft im Kreislauf hält und den Rauch mit derselben Energie verbrennt anstatt einen externen Nachbrenner zu verwenden) und dadurch natürlich auch wesentlich umweltfreundlicher. Es gab für Peter, Casper und Klaus daher im Grunde keine Alternative.
Während unseres Gesprächs wird schnell klar, dass es für Coffee Collective wirklich darum geht die Dinge anders und bestmöglich zu machen. Sie versuchen nicht ihrem Firmenprofil ein paar schöne grüne Phrasen oder einen nachhaltigen Stempel aufzusetzen, sie leben Nachhaltigkeit und wählen auch den harten Weg, falls nötig. Das gesagt, Klaus ist sich durchaus bewusst, dass noch ein langer Weg vor ihnen liegt, bleibt aber dennoch optimistisch, denn das Ziel ist klar:
„Es ist einfach so interessant, dass alles was wir tun – die kleinen Cafés und die kleinen Röstereien . dass einfach alles von den großen Firmen kopiert wird! Firmen wie Nespresso zum Beispiel. Genau deswegen habe ich die Hoffnung, dass, wenn wir das Thema des Marktpreises und der Transparenz hoch halten und weiter pushen, dass die Kunden anfangen nachzufragen und Antworten einzufordern! Und man stelle sich einfach vor wir könnten die großen Marken dazu bringen, nicht nur einen coolen Drink zu kopieren, sondern stattdessen die Art wie sie Kaffee beziehen von uns zu kopieren. Und den Gewinn in der Kette weiter nach unten zu reichen!”
Und während Firmen wie Starbucks sicherlich eine wichtige Rolle gespielt haben, indem sie den Markt für eine Großzahl an Menschen zugänglich gemacht haben, das Interesse geweckt haben, wie auch den Willen schlichtweg mehr für Kaffee zu bezahlen, stecken wir momentan in einer beinahe absurden Marktsitutation: Auf der einen Seite ist der Marktpreis für Kaffee so historisch niedrig, dass es für viele Produzenten ums Überleben geht. Gleichzeitig sind die Konsumenten offensichtlich willens viel Geld für Kaffee zu bezahlen. Selbst Klaus kann kaum fassen, wie schnell ihr Esmeralda Geisha ausverkauft war, und das obwohl sie mehr eingekauft hatten, als je zuvor! Obwohl die Wertschätzung der Kunden inzwischen gegeben ist, macht es der kaputte Markt irrsinnig schwer die Botschaft zu verbreiten und die Änderungen voranzubringen, die so dringend nötig sind.
Kaffee ist einfach viel zu billig für die großen Produzenten geworden und nun muss die Nachfrage der Konsumenten der Motor sein um das Level an Wertschätzung wieder zu steigern – für die Kaffeeproduktion als ein Handwerk, aber auch für den Kaffee selbst als ein limitiertes Gut, insbesondere im Angesicht des Klimawandels.
Klaus erzählt, dass der Klimawandel ein großes Thema für jeden einzelnen Farmer ist, mit dem sie arbeiten, da jeder von ihnen die Folgen schon jetzt spüren kann. Veränderte Wetterstrukturen, wie schwankende Regenfälle und lange Dürren, die auch bestimmte Pflanzenkrankheiten begünstigen, haben eine große Auswirkung auf die Menge wie auch auf die Qualität der Kaffeeernte. Und die steigenden Temperaturen sind ein zusätzlicher Faktor für die Qualität, wie Klaus uns erklärt:
„Kaffee entwickelt sich am besten bei 20-21° Durchschnittstemperatur. Wenn sich diese auch nur um 1° nach oben verschiebt, führt das zu einem bemerkenswerten Qualitätsverlust! Das liegt daran, dass sich die Reifephase verkürzt, der Kaffee reift schneller und wie es die meisten auch von Äpfeln und anderen Früchten kennen: Eine schnelle Reifung sorgt für einen Verlust von Komplexität.”
Coffee Collective tritt auch als Redner bei globalen Veranstaltungen der Kaffee-Industrie auf, die eine gute Bühne bieten um mit Themen wie der Preistransparenz ein breiteres Publikum zu erreichen.. Klaus erzählte, wie ihnen auf diesen Events immer wieder beides bewusst wird: Die dringende Notwendigkeit für Veränderung auf vielen verschiedenen Ebenen, aber auch der immer häufiger bereits passierende Wandel und auch das steigende Bewusstsein in der Industrie wie auch bei den privaten Kaffee-Enthusiasten.
Beispielsweise hat er in Italien, wo der Kaffeepreis im Grunde seit 20 Jahren unverändert ist und ein Espresso im Schnitt noch immer 1€ kostet, eine neue Generation von Röstern und Barista getroffen, die gespannt und willens sind, die alten Traditionen aufzubrechen und neue noch unetablierte Dinge zu probieren, und gleichzeitig auch einfach besseren Espresso anzubieten um die Schönheit der klassischen Italienischen Kaffeekultur nicht zu verlieren.
Oder als er Sommer 2018 einen Vortrag in Portugal gehalten hat, einem Land mit ähnlich niedrigen Kaffeepreisen wie Italien, und dort mit klarem Widerspruch konfrontiert wurde, als ihm andere Röster sagten er “könne nicht einfach daherkommen und beschließen den Farmern mehr zu bezahlen”. Doch am Ende sind es vor allem Momente wie diese, in denen er beschließt seiner Überzeugung – und auch seinem Geschäftsmodell – zu folgen und so entgegnete er:
„Wissen Sie was? Irgendjemand muss nun mal anfangen! Und Sie müssen einfach Ihre Kunden in den Prozess involvieren. Sie müssen die Bürde nicht alleine tragen – haben sie einfach etwas mehr Vertrauen in Ihre Kunden. Wenn Sie ein wirklich gutes Produkt anbieten, etwas, das eine Wertigkeit liefert, und ein besseres Erlebnis, wenn Sie fantastischen Kundenservice bieten und dazu noch eine gute Geschichte zu erzählen haben – und wenn zu all dem der Geschmack einfach außerordentlich gut ist: Dann bin ich einfach davon überzeugt, dass die meisten Kunden auf jeden Fall bereit sind dafür auch mehr zu bezahlen!”
Am Ende unseres Gesprächs waren wir uns zwar darin einig, dass es noch viele Herausforderungen zu bewältigen gibt, aber auch darin, dass die Kaffeetasse auf jeden Fall immer halbvoll ist!
Unser Rat also:
Zeit für mehr guten Kaffee, bestellt ein paar Bohnen oder besucht Coffee Collective direkt in einem ihrer vier Cafés in Kopenhagen. Denn sie rösten einfach verdammt guten Kaffee.
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PHotoGRAPHY
Constantin Gerlach, Laura Droße
Text
Laura Droße