54° 16′ 0″ n, 8° 29′ 0″ o
CRAFT STORIES FROM THE ROAD:
carrow coffee roasters
Wir lieben Kaffee. Punkt. Zuhause in Berlin haben wir unseren „Kaffee Dealer“ – und auch auf Reisen immer ein paar Tüten ihrer Bohnen dabei. Man weiß ja nie. Doch auf Reisen suchen wir zudem immer nach den kleinen lokalen Röstereien. Zum einen aus Neugier, zum anderen, um die irre Vielfalt zu erleben, die man als Kaffeeliebhaber heutzutage finden kann!
An einem unserer letzten Tage in Irland, stranden wir auf einem Campingplatz in Strandhill, im County Sligo. Das kann man wörtlich nehmen, schließlich ist der Strand nur wenige Schritte entfernt. Zu unserem Glück kommen wir pünktlich zum „Strandhill People’s Market“ an, einem Handwerksmarkt der lokalen Künstler und Produzenten. In einem Hangar des Flughafens findet man Keramik und Art Prints, selbstgemachte Kosmetik, frische Gartenkräuter und Gemüse. Und mittendrin: Andrew Willis an seinem „Carrow Coffee“ Stand.
Natürlich probieren wir beide Sorten, die er an diesem Tag dabei hat und nehmen auch direkt zwei Beutel Bohnen mit. Und Andrew lädt uns ein, ihn am nächsten Tag auf der Familienfarm zu besuchen, wo er 2017 seine eigene kleine Rösterei eröffnet hat: Willkommen auf „Carrowgarry“!
Wir verlassen die Hauptstraße und der Anblick des kleinen Pfades, der sich hinter dem Haupttor vor uns auftut, verschlägt uns glatt die Sprache. Vor uns eine waldartig anmutende Gruppe hoher alter Bäume, auf der Wiese rechterhand grasen ein paar Schafe und in der Ferne ein Gewächshaus. Direkt träumen wir Stadtkinder davon wie es wohl ist, hier zu leben.
Carrowgarry ist seit drei Generationen in Familienbesitz. Andrews Eltern betreiben es vor allem als Schaffarm, und natürlich hilft Andrew, wo immer er kann. Doch seine eigentliche Leidenschaft ist Kaffee, weshalb er zusammen mit seiner Frau Paola vor einem Jahr den Traum von der eigenen Rösterei hier auf der Farm verwirklicht hat.
Wir laufen an einer riesigen Holzscheune, einem Traktor und einigen Schafen vorbei, bevor wir Andrews größen Stolz erreichen: Eine kleine Holzhütte, die noch genauso neu aussieht wie sie ist, und dennoch einen urigen Charme ausstrahlt. Wir betreten das Häuschen durch eine klassische zweigeteilte Holztür und stehen direkt vor der Röstmaschine.
Es ist absolut unmöglich nicht sofort das dringende Verlangen nach einer Tasse frischem Kaffee zu verspüren.
Carrow Coffee produziert ausschließlich helle und mittlere Röstungen, die „den ureigenen Geschmack der Bohnen durchscheinen lasst“, wie Andrew es formuliert. Sie beziehen ihre Bohnen von kleinen Farmen, weshalb das Sortiment von Saison zu Saison wechselt. Doch diese Vielfalt wissen sie zu schätzen. Als wir Andrew besuchen, sind gerade ein Espresso aus Minas Gerais in Brasilien, sowie zwei Filter Kaffees, aus Ruanda und den kolumbianischen Anden, im Sortiment. Wie treffend, schließlich entstand die ganze Idee zu Carrow Coffee in Kolumbien!
Andrews berufliche Wurzeln liegen im Journalismus, wodurch er für einen Auftrag insgesamt rund vier Jahre in Kolumbien unterwegs war. Er wollte dort kleine Farmen besuchen und alles über den Produktionsprozess lernen, der hinter dem fertigen Kaffee steckt.
Paola und er lebten zusammen in einer kleinen Wohnung in Bogota. Und dort war es, wo er die ersten Röstkurse besuchte und an ersten sogenannten „Cuppings“ teilnahm. Schließlich begann er auf dem Dachboden seine ersten eigenen Röstexperimente.
Paolas Familie stammt aus Trieste, der italienischen Stadt, in deren Venen Kaffee fließt: Der Heimatstadt von Illy.
Und so kam in Bogota alles zusammen. Paola würde ihr Wissen als Projekt- und Kommunikations-Managerin in ihr Kaffeebusiness einbringen. Und sobald sie zurück in Irland waren, wurde der Traum in die Tat umgesetzt.
Doch selbst das ist noch nicht die komplette Geschichte hinter Andrew & Paola. Wir verlassen die Rösterei und treffen Paola im Gemüsegarten. Mit Gummistiefeln und Handschuhen hockt sie auf dem Feld und bringt gerade neue Pflanzen in die Erde. Kartoffeln und Zwiebeln, Rhabarber und Äpfel, Blumen und Kräuter, hier scheint einfach alles zu wachsen.
Die romantische Schönheit des ganzen Anwesens verführt einen dazu, zu vergessen wieviel Arbeit hinter einer solchen Farm steckt. Vor allem, wenn man insgesamt drei verschiedene Geschäftsmodelle betreibt!
Und während uns die beiden von ihrem Alltag hier berichten, vom Überlebenskampf, der sich Jahr für Jahr wiederholt, umgibt sie eine sehr bescheidene Aura. Und daneben können wir es spüren, noch bevor sie es aussprechen: Ganz egal wie hart es manchmal sein mag, Carrowgarry ist der Platz, an den sie gehören. Hier können sie ihre Leidenschaften leben, organisches Gemüse ganz ohne Chemikalien anzubauen, Kaffee von kleinen Farmen rösten und lokal in Sligo vertreiben und dabei mit ihrer Familie nah am Meer leben. Ach ja, Surfer ist Andrew auch, aber für diese Geschichte fehlt nun wirklich die Zeit.
Manchmal entfliehen Paola und Andrew dem irischen Winter und besuchen über Weihnachten Paolas Familie in Italien. Und während die Wurzeln ihrer Geschichte über den ganzen Globus verteilt sind, wachsen sie gleichzeitig auch Jahr für Jahr tiefer in die Erde in Carrowgarry.
Ein paar Beutel Bohnen haben wir natürlich mit nach Berlin genommen, die jedoch längst gemahlen, gebrüht und getrunken sind. Doch wie es der Zufall manchmal so will, haben wir eventuell die Chance in unserer Heimatstadt eine Tasse zu trinken: Andrews Cousin Tom leitet das „Café Mint“ im botanischen Garten im Norden von Berlin. Es wird dringend Zeit ihm einen Besuch abzustatten!
Fotos
Constantin Gerlach, Laura Droße
Text
Laura Droße